Kanzlei Bischof

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Rettungsdienst-Recht: Was tun, wenn der Patient erkrankt oder verletzt ist, aber nicht in das Krankenhaus will?

Wenn ich als Dozent auf Rettungsdienst-Fortbildungen unterwegs bin, höre ich manchmal als kurze selbstbewusste Antwort auf die Frage „Dann lasse ich den unterschreiben und gut ist“. Tatsächlich ist eine vom Patienten schriftlich bestätigte Transportverweigerung die „halbe Miete“.

In der Praxis ergeben sich aber zwei Probleme: 1. War der Patient überhaupt entscheidungsfähig und 2. Worüber wurden denn der Patient überhaupt aufgeklärt?

Die Entscheidungsfähigkeit

Einwilligungsfähig bzw. entscheidungsfähig ist, wer Bedeutung und Tragweite – auch die Risiken – der Maßnahme bzw. der Ablehnung der Versorgung erfassen und seinen Willen entsprechend einrichten kann.

Grundsätzlich ist zunächst jeder Volljähriger entscheidungsfähig. An der grundsätzlichen Einwilligungsfähigkeit bzw. Entscheidungsfähigkeit können sich verletzungs-, erkrankungs- oder situationsbedingt Zweifel ergeben. Insofern ist eine Einsatzdokumentation (Rettungsdienst-Protokoll) sinnvoll, die Anhaltspunkte für die Entscheidungsfähigkeit des Patienten enthält. Statt einem allgemeinem „Patient ist geschäftsfähig“ –was juristisch auch nicht der zutreffende Begriff wäre- empfehlen sich Feststellungen zur vollständigen Orientierung des Patienten. Idealerweise ist auch die Erhebung von Vitalwerten und ein weitgehender Ausschluss neurologischer Erkrankungen möglich. Natürlich sollten diese Feststellungen dokumentiert werden. Sofern sich insofern keine Auffälligkeiten ergeben, liegt Entscheidungsfähigkeit des Patienten vor.

Worüber wurde der Patient aufgeklärt?

Mir sind mehrere reale Fälle bekannt, in denen Patienten oder Angehörige später behaupten, es sei gar nicht oder nur unvollständig über die Folgen der Transport-Verweigerung informiert worden. Daher sollte ferner dokumentiert werden, über welche (Verdachts-)Diagnose und welche mögliche Folgen der Transportverweigerung der Patient aufgeklärt wurde.

Ein Beispiel

„Trotz momentaner Beschwerdefreiheit kann Gehirnblutung präklinisch nicht sicher ausgeschlossen werden, mögliche Folgen: Bewusstlosigkeit, bleibende Schäden (Schwerstpflegebedürftigkeit), Tod“

Verweigerungsformulare auf denen vorgedruckt steht, es sei über „alle Folgen“ aufgeklärt worden, sind insofern wenig hilfreich, da sie das oben skizzierte Problem nicht lösen. Auch die häufig verwandte Formulierung der Patient trage „die volle Verantwortung“ und könne niemanden haftbar machen, klingt kernig ist aber juristisch wenig hilfreich.

Die Dokumentation sollten daher auch Ausführungen enthalten, über welche möglichen Folgen der Patient aufgeklärt wurde.

Wieso den ganzen Schriftkram, wir sind doch zu zweit?

Richtig! Im Fall eines Strafverfahrens nämlich zwei Beschuldigte. Und Beschuldigten unterstellt man tendenziell, dass sie ihre Haut retten wollen und deshalb „Schutzbehauptungen“ aufstellen, auf deutsch: nicht die Wahrheit sagen.

Aber es steht doch „Aussage gegen Aussage“?

Es steht die Schilderung eines oder zweier Beschuldigter gegen ein Opfer und gegebenenfalls weitere Zeugen. Das ist im Strafrecht eine nicht untypische Situation die keinesfalls automatisch zum Freispruch bzw. zur Einstellung des Verfahrens führt.

Auch zivilrechtlich, also was einen Schadensersatzanspruch des Patienten angeht, besteht ohne ausreichende Dokumentation ein Haftungsrisiko zumindest für den Träger des Rettungsdienstes. Eine grob unvollständige oder gar komplett fehlende Dokumentation kann dann zur Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterungen für den Geschädigten führen.

Was tun?

  • Versuchen den Patienten von der Behandlung/Beförderung zu überzeugen
  • falls dies scheitert: gründliche Aufklärung über mögliche Folgen, gründliche Dokumentation der Aufklärung