Natürlich übernehme ich auch Mandate auf der Basis von Beratungshilfe. Zum einen bin ich dazu rechtlich verpflichtet, zum anderen halte ich es im Sinne eines sozialen Kitts in der Gesellschaft für notwendig, sich auch für wirtschaftliche Schwächere einzusetzen.
Allerdings: Entsprechende Mandantinnen und Mandanten müssen den Beratungshilfeschein selbst beantragen und zum ersten Termin mitbringen.
Mit den entsprechenden Unterlagen (Personalausweis, Einkommensnachweise, ggf. Schriftwechsel) ist das oftmals problemlos beim zuständigen Amtsgericht in einem persönlichen Termin möglich. Die Beantragung von Beratungshilfe durch mich für den Mandanten führt hingegen leider oftmals zu einem wochen- bis monatelangem Schriftwechsel mit dem Gericht.
Ein Beispiel:
Herr M erscheint und wünscht die Übernahme einer Sache gegen seine Pflegeversicherung. Herr M. ist mittelos und habe schon einen Beratungshilfeschein, diesen aber zu Hause vergessen. Ich zweifele kurz, glaube aber Herrn M und dieser sagt zu, den Beratungshilfeschein kurzfristig hereinzubringen. Fristwahrend lege ich also schonmal Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse ein.
Am nächsten Morgen ist ein Umschlag von Herrn M. im Briefkasten. Leider kein Beratungshilfeschein, sondern ein Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe. In einer anderen Handschrift ist dort ein gerichtliches Aktenzeichen eingetragen. Auf telefonische Nachfrage teilt Herr M mit, dass Gericht habe ihm das so gegeben, das müsse der Anwalt einreichen.
Das ist so halb richtig, denn a) muss ich den Antrag nicht einreichen, vgl. § 16a Abs. 2 BORA und b) hätte das Gericht grundsätzlich auch gleich den Bewilligungsschein erteilen können und Herrn M nicht lediglich ein Antrags-Formular überreichen können.
Ich sende dieses Formular dann kommentarlos an das Amtsgericht am 2. Juni.
Schon zehn Tage später, das ist tatsächlich relativ zügig, fragt das Gericht schriftlich nach, wann ich die Tätigkeit für Herrn M denn aufgenommen habe. Hintergrund: Nach § 6 Abs. 2 Beratungshilfegesetz l muss der Antrag spätestens vier Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt werden, sonst gibt es kein Geld mehr vom Staat. Also eine erste kritische Nachfrage durch das Gericht, ob der Anspruch überhaupt besteht. Ich antworte noch am selben Tag, dem 12. Juni.
Zehn Tage später, am 22. Juni, hat das Gericht ein neues Schreiben und eine neue Frage: Worum geht es eigentlich? Die Angabe in dem Antrag „Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse vom ….“ sei doch zu pauschal und aus dem in Kopie beigelegten Bescheid der Pflegekasse könne man keine Fehler erkennen. Eine Antwort habe innerhalb von 2 Wochen zu folgen, sonst würde der Antrag abgelehnt.
Nun ja, in den Bescheiden der Pflegekasse steht relativ selten so etwas wie „Den zugrundegelegten Hilfebedarf haben wir unter Mitwirkung des MDK so niedrig angesetzt, dass sie keine Leistungen erhalten. Das machen wir so, weil wir gerne das Geld sparen und viele Menschen keinen Widerspruch einlegen“
Ich lasse mir etwas mehr Zeit und teile dem Gericht am 1. Juli konkrete Bedenken gegen den Bescheid mit. Nur zur Klarstellung: Wir befinden uns in dem Verfahren um die Bewilligung von Beratungshilfe. Also bei der Frage, ob ich aus der Staatskasse eine Vergütung für die Tätigkeit zugunsten des Herrn M bekomme.
Dann ist Schweigen im Walde, keine Bewilligung, keine Nachfrage. Also frage ich am 7. August, also nach 6 Wochen, mal nach, was die Sache macht.
2 Wochen später schreibt mir die Rechtspflegerin, sie benötige für die Bewilligung der Beratungshilfe die Widerspruchsbegründung. Wenn diese nicht innerhalb von 2 Wochen vorliegt, gehe sie von einer Rücknahme des Widerspruchs aus.
Mir platzt der Kragen und ich schreibe am 21. August dem Gericht:
1.
Eine Widerspruchsbegründung liegt nicht vor. Die Gewährung der Beratungshilfe soll gerade die Kostendeckung für die Begründung des Widerspruchs sicherstellen. Ich werde die Widerspruchsbegründung also erst fertigen, wenn eine Entscheidung über die Beratungshilfe vorliegt.
Inhaltlich darf ich auf mein Schreiben vom 1. Juli hinsichtlich konkreter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides hinweisen.
Bewertungsmaßstab dürfte hier die Frage sein, ob die Inanspruchnahme der Beratungshilfe mutwillig erscheint (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG) . Dies ist nach hiesiger Auffassung nicht ansatzweise erkennbar.
2.
Für den Antragsteller erfolgt klarstellend der Hinweis, dass von einer Rücknahme des Antrags nicht auszugehen ist.
Die Angelegenheit wird von hier aus als ausgeschrieben betrachtet, ich bitte um Entscheidung.
Dann passiert etwas Unerwartetes: Eine gute Woche später, am 29. August, habe ich tatsächlich den Beratungshilfe-Schein in der Post. Nunmehr, nachdem ich fast 3 Monate lang mit Gericht geschrieben habe, damit mein mitteloser Mandat Beratungshilfe bekommt.
Immerhin werde ich für die gesamte Tätigkeit, also einschließlich der Führung des Widerspruchsverfahrens, nahezu „fürstlich“ entlohnt werden. Die Staatskasse zahlt ganze 121,38 €. Vom (mittelosen) Mandanten kann ich einen Eigenanteil von 15 € kassieren, macht insgesamt 136,38 €. Zum Vergleich: Hätte Herr M mich als Selbstzahler beauftragt, wären bei einer Standardabrechnung gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) schon Kosten von 380,80 € entstanden.
Aus der Staatskasse erhalte ich also nur ein gutes Drittel der gesetzlichen Vergütung. Wahrscheinlich, weil die wochenlange Korrespondenz mit dem Gericht um die Bewilligung der Beratungshilfe nahezu vergnügungssteuerpflichtig ist.
Deshalb: Beratungshilfe: ja, bitte. Aber nur, wenn sie einen entsprechenden Berechtigungsschein zum ersten Termin bei mir mitbringen.
Einen Beratungshilfesschein erkennen Sie übrigens daran, dass groß „Bewilligung“ oder „Berechtigungsschein“ drüber steht. Wenn Sie ein Formular mit der Überschrift „Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe“ erhalten, ist das eben nur das Antragsformular.